Denkmalpflege

in „Heilig Kreuz“

Seit 1787 ist durch den Lokalhistoriker und Pfarrer der Gemeinde Boritz, Johann Friedrich Ursinus, der Begriff „Denkmal“ für den Standort „Heilig Kreuz“ eingeführt. Zu dieser Zeit kam es deutschland- und europaweit zu ersten Gründungen von Altertumsvereinen. Mit Denkmal wurde aber kaum anderes, als das Standbild eines bedeutenden Menschen ob nun aus Holz oder Stein angesprochen. In der Verbindung mit „Pflege“ tritt der Begriff noch nicht auf. Bei Ursinus drängt die in über 500 Manuskriptseiten zusammengetragene Forschung zum Ort und seiner Geschichte den Gedanken allerdings stark auf, dass sich hier eine Einzelner vehement bemüht, andere für etwas Wichtiges, Erhaltens- und Pflegewertes zu interessieren. Nach den weitreichenden Zerstörungen der Anlage im Jahre 1759 erscheint das nicht verwunderlich. Im Siebenjährigen Krieg waren auf sächsischem Gebiet heftige Kämpfe zwischen Österreichern und Preußen ausgetragen worden. Meißen war damals Lazarettstadt und Truppenlagerplatz. Das alte, weitgehend verlassene Kloster, 600 m nördlich des Burgberges an der Elbe gelegen, kam Letzteren besonders entgegen, auch weil hier eine natürliche Furt bestand, die das Übersetzen großer Verbände rasch und sicher ermöglichte. Es ließ sich allerdings nicht ausschließen, dass bei Mittel- oder Hochwasser Hilfen wie Schiffsbrücken, zum Erreichen des anderen, meist rettenden Ufers benötigt wurden. Die Dächer des seit 1570 nur noch als Wirtschaftshof existierenden ehemaligen Klosters „Heilig Kreuz“ waren für den Schiffsbrückenbau wie geschaffen. Man riss sie ab und entfernte auch die Dielenböden aus den Gebäuden. Die Balken wurden über Ruderbooten verzimmert und anschließend mit einem Belag aus Brettern versehen.

Ein Wiederaufbau der Klosteranlage wurde in der Folgezeit nicht in Betracht gezogen. Lediglich die Gebäude des sogenannten ersten und zweiten Wirtschaftshofes waren neu entstanden, die sich für die Versorgung der Alumnaten der Landesschule Sankt Afra als notwendig erwiesen. Das waren der Schafstall, eine Scheune und das Haus des Schössers. Um eine historisch authentische Nachbildung alter Bauwerke ging es dabei nicht. Vielmehr interessierten aus der Not heraus einfache und praktische Konstruktionen.

Erst durch Landschaftsmaler wie Caspar David Friedrich und Johan Christian Clausen Dahl kam es Anfang des 19. Jahrhunderts zu einer gewissen Wandlung in der Wahrnehmung der ruinösen Anlage. Deren Widerspieglung transzendierte altes Mauer- und Schmuckwerk zu wertvollem Kulturgut. Schon im Jahre 1800 fertigt Friedrich Skizzen der Klosterruine „Heilig Kreuz“ in seinem „Mannheimer Skizzenbüchlein“. Später arbeitete er Details daraus in anderen Grafikblättern ein. Inzwischen hatten sich viele Dresdner Künstler in die Umgebung aufgemacht und z.B. die Reste des Klosters Altzella, die Nikolaikirche in Bautzen oder die gotischen Kirchenruinen auf dem Felsen Oybin im Bild aufgenommen, unter ihnen Adrian Zingg, Johann Christian Klengel, Carl Gustav Carus, Ludwig Richter.

Immer öfter war auch angesagt, alte Kulturbauten oder Teile davon in aufwendige, neue
Gartenarrangements einzubinden. Schon 1785 begann der Hofgärtner Johann Gottfried Hübler auf der Stätte des Zisterzienserklosters Altzella einen Landschaftspark anzulegen. Für das Kloster „Heilig Kreuz“ ist eine solche „gartenkünstlerische“ Umgestaltung nicht bekannt. Zu nah lag offenbar die Idee einer barocken Gartenlandschaft, die hier zwischen 1720 und 1740 entstehen sollte. Diese war, wie es scheint, nicht ganz zum Abschluss gekommen, hatte aber eine räumliche Gliederung vorgegeben, an der man festhielt. So scheinen die bedeutenden aber teilabgebrochenen Klausurgebäude, das Äbtissinnenhaus und die Propstei ab 1763, bei aller Vernachlässigung, nicht völlig schutzlos geblieben zu sein.

Mit dem vergrößerten öffentlichen Interesse am Alten und Bewährten paarte sich zwischen 1820 und 1830 eine deutliche Bewusstseinsänderung gegenüber den von menschlicher Schöpferkraft hervorgebrachten, künstlerischen Werten. Kunst war im Ringen um Identität zu einer gesellschaftlich anerkannten Größe geworden. Man schätzte deren verbindende und erhebende Kraft.

Für seine Kunst der Homöopathie wird der 1755 in Meißen geborene Dr. Christian Friedrich Samuel Hahnemann 1841 gar zum Ehrenbürger seiner Geburtsstadt ernannt. Mit kleinen Gaben Wertvolles zu erhalten bzw. Großes zu gestalten, war zu einem Credo geworden, dem sich nicht nur der Adel und das Großbürgertum, sondern auch die verarmten Kleinbürger gerne annahmen.

Hahnemann hatte in seiner Jugend die Fürstliche Landesschule St. Afra besucht und die botanischen Schätze seiner Heimat erkundet. Dabei muss er unweigerlich auch auf die barocken Gartenstrukturen des Klostergutes „Zum Heiligen Kreuz“ gestoßen sein. Vereinfacht hatte man diese nach dem Siebenjährigen Krieg wiederhergestellt.

Ähnlich erging es der Bausubstanz in der Anlage. Auch diese lag fragmentiert. Reparaturen waren sehr oft über wichtige Details hinweggegangen. Zur Interpretation bedurfte es gründlicher bauarchäologischer Untersuchungen. Diese freilich unterblieben. Stattdessen vermischen die erste bauliche Beschreibung durch Johann Friedrich Ursinus und die darauffolgende Bestandsaufnahme baukünstlerischer Werte durch Ludwig Puttrich und Carl Ferdinand Sprosse Original und Nachahmung späterer Handwerker.

Der Entdeckerstolz vermeintlichen Altertums war viel zu groß, um darüber einen kühlen Kopf zu bewahren. Erst die systematische Erfassung des Bestandes, beginnend mit den durch Cornelius Gurlitt veranlassten und von Fritz Rauda durchgeführten denkmalpflegerischen Untersuchungen am Ostflügel und der Kirchenruine zwischen 1900 und 1917, erweckte daran gewisse Zweifel. Im Wesentlichen änderten sie die Generallinie aber nicht. Vielmehr wurden mit dem Abstand zum historischen Ereignis die baugeschichtlichen Konturen immer unschärfer und die Möglichkeit, solche allein auf der Grundlage kunsthistorischer Gegebenheiten zu interpretieren, versagte.

Die interdisziplinäre Erforschung des Gesamtstandortes von „Heilig Kreuz“ unter Betrachtung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zusammenhänge, die ab 1994 begonnen wurde, entwickelt unterdessen Chancen, aus dem Denkmal das zu machen, was es eigentlich sein sollte – ein Kulturgut, dessen wechselhafte Geschichte am Bestand erkennbar und für möglichst viele Menschen im Interesse der gesellschaftlichen Entwicklung deutbar wird.

Der Defragmentierung boden- und bauarchäologischer Zusammenhänge im Kontext der geschichtlichen Überlieferung kommt eine große Bedeutung zu. In die Betrachtung des Standortes fließt unterdessen nicht nur die lokale Klostergeschichte ein, vermehrt geht es auch um regionale, landes- und europageschichtliche Aspekte, die in der Vergangenheit zu kurz kamen.