Heinrich Frauenlob zu Meißen als Wegbereiter

– ein Beitrag zum 700. Todestag des Meisters –

1. Historischer Hintergrund

Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob (um 1250 – 1318) – Sachsens berühmtester Minnesänger

MinnesangHeinrich von Meißen steht mit seiner Dichtung am Übergang vom höfischen Minnesang zu den städtisch geprägten Meistersingern. Wohl um 1250 in Meißen geboren und bürgerlicher Herkunft lässt seine Gelehrtheit auf eine sehr gute Ausbildung schließen. Vermutlich erhielt er diese an der Meißner Domschule. Der Meißner Markgraf Heinrich der Erlauchte (1215/16 – 1288) betätigte sich als fürstlicher Minnesänger und unterhielt eine seit 1254 bezeugte Sängerkapelle. Frauenlob erhielt wohl hier seine erste Schulung in Poetik, Komposition, Vokal- und Instrumentalmusik. Als Frühbegabung soll er noch nicht ganz dreizehnjährig seine ersten Dichtungen vorgetragen haben und verließ schon bald darauf den markmeißnischen Hof. Über sein Leben gibt es wenig gesicherte Informationen. Rückschlüsse lassen die persönlichen und historischen Anspielungen in seinen Werken und denen seiner Zeitgenossen zu. Nach diesen durchzog er als Minnesänger wandernd das Deutsche Reich und war um 1278 bei König Rudolph I, später an Höfen in Kärnten, Bayern, Böhmen, Mecklenburg, Bremen und Rügen. Seine letzten Jahre ab ca. 1312 verlebte er in Mainz bei seinem Gönner Erzbischof Peter von Aspelt (1245 – 1320). Diesen hatte Frauenlob bei mehrmaligen Aufenthalten am Hofe König Wenzels II. von Böhmen (1271 – 1305) kennengelernt.
Sein Beiname „Frauenlob“ geht vermutlich auf den um 1290 entstandenen Marienleich zurück, indem er die Gottesmutter als „frouwe“ preist. Anlass könnte aber auch ein Disput mit Rumelant von Sachsen gewesen sein. Beide stritten darüber, ob „wip“ (Weib) oder „vrouwe“ (Frau) die ehrenvollste Bezeichnung für eine Dame sei.
Der Marienleich, vielleicht noch der Kreuzleich und einige Dutzend besonders gut überlieferter Sprüche zählt man zu den weitestgehend im Original überlieferten Werken Frauenlobs. Die schlechte Überlieferungslage hängt wohl mit seinem außergewöhnlichen Ruhm zusammen. Die Meistersinger ehrten Frauenlob nicht nur durch das Aufbewahren und Weitergeben seiner Dichtung, sondern mehr, indem sie diese fortsetzten und in das eigene Schaffen einbezogen. Dass er in Mainz die erste Meistersingerschule gegründet hat, ist wohl Legende, auch wenn sich um einen so berühmten Sänger andere Sänger versammelt haben dürften. (Mike Huth)

2. Forschungsinteresse

Frauenlobs Verortung in Meißen ist schwierig und ob die Domschule seine früheste Ausbildungsstätte war, bleibt zunächst hypothetisch. Gerade dort aber könnte er als junger fantasievoller Eleve mit den seltsamen Vorkommnissen im nicht weit entfernten Kloster „Heilig Kreuz“, nur 500 m entfernt von Burgberg und Dom, vertraut geworden sein. Gegründet um 1217 in der Nähe einer alten, kaum noch genutzten Wasserburg, waren die Klostergebäude ab etwa 1200 zunächst wohl Sitz der, von Ihrem Gatten, König Ottokar I., verstoßenen Adela von Meißen mit ihrem Hofstaat. Die Minne für eine solch hochherrschaftliche Dame könnte Frauenlob durchaus inspiriert haben. Markgraf Dietrich und seine Ehefrau Jutta sollen der Einrichtung nach der Überlieferung auch einen Splitter des Heiligen Kreuzes gestiftet haben. Dies wird nach den geschichtlichen Abläufen zwischen 1209 und 1212 gewesen sein, als der Meißner Markgraf Parteigänger des Deutschen Kaisers Otto IV. von Braunschweig gewesen ist. Heilig Kreuz war ab 1211 sehr wahrscheinlich Stift für hochadlige Fräulein aus dem Umfeld Adelas und ihres Bruders Dietrich. In der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts ist die Spur zu der sehr wertvollen Kreuz-Reliquie verloren gegangen. Das Heilige Kreuz als religiöses Objekt könnte damit ein weiteres Element frühjugendlicher Auseinandersetzung Frauenlobs gewesen sein. Um 1220 wird aus dem eher weltoffenen, adligen Fräuleinstift erzwungenermaßen ein zisterziensisches Nonnenkloster mit dem Patrozinium der heiligen Maria. 1248 gerät dieses Kloster in Verruf und wird exkommuniziert. Mithin ist es plötzlich Tagesgespräch und Podium christlicher, unchristlicher oder auch poetischer Auseinandersetzungen.

Heinrich Frauenlob greift in seinem weiteren Leben, die genannten, ihn tief bewegenden Themen auf und setzt sie in der Kunstform des Leiches tondichterisch um. Dies soll zu einer Zeit gewesen sein, als diese Form schon lange aus der Mode gekommen war. Vielleicht ist dies aber nur ein Zeichen dafür, dass die Veranlassung für diese Kunstwerke weit in die Vergangenheit zurückreicht.

3. Leichdichtungen

Marien- und Kreuzleich stehen neben dem Minneleich als Teil einer die Dreifaltigkeit preisenden Trilogie. Gemessen an anderen Werkformen der Zeit war ein Leich musikalisch und dichterisch sehr aufwendig. Er blieb deshalb nur den wirklichen Meistern des Minnesangs vorbehalten. Heinrich von Meißen gehörte ohne Zweifel dazu. Sein sogenannter „geblümter Stil“ hatte ihn zu einer herausragenden aber auch kontroversen Persönlichkeit gemacht. Wir wissen heute noch wenig über das, was sich hinter dem Wort „geblümt“ verbirgt. Vermuten kann man eine besondere Farbigkeit, Buntheit, Vielfältigkeit. Man liegt auch gar nicht so fern, darin die ganze Fülle der Sinnesreize zu erblicken. Der „Ton“ jedenfalls war damals weit mehr als nur eine musikalische Kategorie. Er stand für den „guten Ton“, der die Stimmigkeit von Hören, Sehen, Fühlen, Schmecken, Riechen einschloss. In diesem Kontext wird manchmal vom „geblümte Stil“ als einer Spielart des Manierismus gesprochen, der alle nur denkbaren Möglichkeiten zur Gestaltung eines Werkes nutzt. Diese Zuordnung greift aus verschiedenen Gründen nicht. Zum einen, weil der Begriff des Manierismus als Bezeichnung für eine Stilausprägung der Spätrenaissance entwickelt wurde und nicht schon vorher, zum anderen, weil eben Blütezeiten, wie die Hochgotik, in ihrem Wesen keinesfalls vergleichbar sind mit Zeiten des Umbruchs. Insofern erfahren wir Heinrich „Frauenlobs“ Werk als Werk höchstmöglicher Stimmigkeit bei außerordentlich großem Nuancenreichtum.
Das Meißner Hahnemannzentrum sieht in dieser Grundkonstellation Leitlinien für ein gesundes Leben, welche in ihrem Wesen der Homöopathie entsprechen. Heinrich „Frauenlob“ zu Meißen steht insofern als früher Wegbereiter, dessen 700. Todestag am 28.11.2018 festlich begangen werden soll. Der Meißner Dichterfürst ist im Mainzer Dom beerdigt worden. Rosenbekränzte Jungfrauen sollen seinen Sarg dorthin geleitet haben. Sein Minneleich – als Lobpreisung der Frau – mag dafür ein Anlass geboten haben. Noch Louise Otto aus Meißen, die beherzte Vorkämpferin einer bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland, widmete ihrem Landsmann Mitte des 19. Jahrhunderts ein ehrendes Gedenken ehe er durch Gelehrtenfleiß selektiert, später verkannt und zum Glück durch feinfühlige Forschungsarbeit vor Jahren wiederentdeckt wurde.
Dem unterdessen in Hamburg lebenden Komponisten Karsten Gundermann aus Dresden verdanken wir unglaublich intensive Rekompositionen des Marien- und Kreuzleichs. Letz-teres wurde in der Klosterruine „Zum heiligen Kreuz“ in Meißen am 16. September 2017 in großer Orchesterfassung begeistert wiederaufgeführt. Das derzeit noch unbearbeitete Minneleich könnte, wenn es eine genügend große Zahl an Unterstützern dafür gibt, im Jahr 2020 zur Wiederaufführung gelangen. Erste, auch tänzerische Vorbereitungen für eine dem „geblümten Stil“ nahekommende Werkinterpretation sind auf dem Wege.                                                                                                                                                                                              

Ihr

Dr. Helge Landmann
Vereinsvorsitzender

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